„So habe ich schon lange nicht mehr gelacht!“, bekennt Peter Hartmann amüsiert. Dem Muggensturmer ging es wie den anderen rund 350 Zuschauern in der Wolf-Eberstein-Halle: Der ehemalige Weltranglistenerste Jean-Michel Saive und sein Bruder Philippe zeigten nicht nur spektakuläres Tischtennis – die beiden Belgier ließen vor allem keinen Gag aus bei der zweiten hochkarätigen Veranstaltung, die der TTC Muggensturm anlässlich seines 40-jährigen Bestehens binnen neun Tagen organisierte. Die ehemaligen Mannschafts-Vizeweltmeister parodierten etwa zwei Tennis-Cracks in Zeitlupe und spielten beidhändige Rückhand. Und gestöhnt wie beim Damen-Tennis wurde allenthalben in der ganzen Show, wenn einer der beiden Saives den anderen von einem Eck ins andere jagte mit seinen Schmetterbällen. „Hast Du noch einen unehelichen Bruder?“, scherzte Philippe Saive, als plötzlich einer aus dem Publikum mitstöhnte.

Philippe & Jean-Michel Saive
Spaß an der Hetze: Philippe Saive (links) umrundet die Platte und bringt den Ball von Jean-Michel Saive noch zurück!

 

„,Jean-Mi‘ noch mit 110 Jahren belgischer Meister“
Ja, selbst komplett um die Platte herum lief Philippe Saive immer wieder, während „Jean-Mi“ einen fünf, sechs Meter hohen Abwehrball zurückschaufelte. Der gehetzte 43-Jährige griff danach weiter beherzt an, bevor der 20. Schmetterball endlich beim einstigen Weltcup-Sieger einschlug. Jean-Michel Saive ließ sich dabei auch nicht anmerken, „dass ich mich gleich zu Beginn am Rücken verletzte“. Als der 45-Jährige nach der mehr als zweistündigen Show „kalt“ wurde, konnte er sich nur noch mit Mühe ins Auto quälen. So muss es wohl auch gewesen sein, als Philippe Saive zweimal im Finale der belgischen Meisterschaften den Titel gegen Jean-Michel holte. „Da war ich verletzt!“, stellte der 25-fache Champion im Interview mit Moderator Hartmut Metz breit grinsend klar. Und der kleine Bruder prophezeite: „,Jean-Mi‘ wird noch mit 110 Jahren belgischer Meister!“ Logische Erklärung für die Aushängeschilder, die Tischtennis in ihrer Heimat zur Topsportart machten: „Wir haben ja nur 25000 Spieler. Da kommen auf jeden einzelnen tausend Chinesen. Deshalb sind die nun auch besser als wir!“ Die Halb-Gallier waren vor mehr als zehn Jahren die Letzten, die die übermächtige Pingpong-Nation bei einer WM schlugen!

Philippe Saive & Jean-Michel Saive
Auch von der Seite zirkelte Jean-Michel Saive mühelos das kleine Zelluloid zurück auf die Platte. Im Hintergrund Bürgermeister Dietmar Späth mit Familie und zahlreiche TTC-Mitglieder.

 

Körber sorgt für sehenswerte Ballwechsel
So übermächtig wie die Asse aus dem Reich der Mitte agierten die Saives auch im Vergleich mit den Muggensturmer Nachwuchstalenten. Der TTC schickte zuerst Jugendleiter Nico Dahringer an die Platte. Der Mann mit dem härtesten Schmetterschlag im Verein – 111 km/h hatte das umlagerte Radargerät beim dreistündigen Kinderspielnachmittag ermittelt – begann nervös. Kein Wunder, hatten doch die Saives im Scherz behauptet, locker beim Schmettern „Tempo 320“ zu schaffen … Bei den ersten zehn Zählern durfte Schiedsrichter Rüdiger Frisch nur eine Tafel für seinen Vereinskameraden umklappen. Philippe Saive ließ Dahringer jedoch bis zum 7:11 einige Punkte aufholen. Jugendtrainer Jonathan Körber gefiel vom ersten Ballwechsel an. Jean-Michel Saive sorgte mit zahllosen Ballonabwehrbällen für sehenswerte Stafetten mit Körber, dessen spektakuläre Angriffe von den Zuschauern frenetisch gefeiert wurden. Der ehemalige Weltcup-Sieger äffte zur Belustigung die Sprünge Körbers bei den energischen Schmetterbällen perfekt nach. Zum Abschluss des ersten Teils duellierten sich der ehemalige Weltranglistenerste und David Rieß mit Philippe Saive und Jugend-Landesligaspieler Manuel Klinger im Doppel. „Die zwei Sätze waren ein Highlight“, freute sich TTC-Pressewart Rieß, dass er an der Seite der Legende auflaufen durfte.
Den Blick für Talente kann man den Belgiern gewiss nicht absprechen. Mit Simon Weiler pickten sie sich zielsicher eines der größten Talente der Region aus dem Publikum heraus. Der zehnjährige Weisenbacher spielte so gut, dass manche Zuschauer mutmaßten, sie hätten den Kleinen für die Show mitgebracht! „Mein Bruder ist so alt. Ich brauche einen neuen Partner bis zur Rente: Hast Du die nächsten 20 Jahre Zeit?“, witzelte Jean-Michel Saive gleich. Das ließ der 43-Jährige nicht auf sich sitzen, holte eine Dame von der Tribüne, die bis dato kaum den Schläger in der Hand gehalten hatte („Das macht nichts, ist sogar gut!“). Frohgemut erkundigte sich der jüngere der beiden Belgier, ob sie die nächsten 20 Jahre Zeit hätte … Als es hernach beim Stand von „sechs beide“ zwischen den Saives weiterging, behauptete Philippe keck, sein Brüderchen könne sich auf Deutsch nur sehr, sehr schlecht ausdrücken und meine mit „sex beide“ nicht den Spielstand…

David Rieß & Jean-Michel Saive
David Rieß (vorne) durfte mit Jean-Michel Saive Doppel spielen.

 

Armer Verband mit sympathischerem Boss
Vor der Show hatten Bürgermeister Dietmar Späth und Horst Haferkamp, Präsident des Südbadischen Tischtennisverbandes (STTV), den TTC Muggensturm gewürdigt. Beide waren nicht zum ersten Mal bei den Show-Veranstaltungen dabei. Späth, der bereits mit Jörg Roßkopf, Steffen Fetzner und Timo Boll an der Platte stand, hob die Jugendarbeit der Muggensturmer Tischtennisspieler hervor. Haferkamp zeigte sich zudem beeindruckt von der 88-seitigen Festschrift und schloss sich dem Vorwort des Weltverbandspräsidenten Thomas Weikert an: „Der TTC Muggensturm ist etwas Besonderes!“ Der STTV-Boss entschuldigte sich schmunzelnd, dass sein „armer Verband leider nur nicht so viele Millionen überreichen könne wie die FIFA“ – TTC-Präsident Metz fand das zwar „bedauerlich, aber dafür bist Du weit sympathischer als FIFA-Chef Blatter“, befand er – deshalb war Haferkamp auch noch länger im Amt als der kurz danach abtretende Schweizer …

TTC Vorbild für andere
Die von Thomas Ockert entworfene Festschrift stieß nicht nur bei den Vereinen der Umgebung auf reges Interesse. Dank der zahlreichen einheimischen Inserenten und der Hauptsponsoren – Spedition Hartmann, Freiberger und VR-Bank in Mittelbaden – konnte der TTC 1000 hochwertige Exemplare drucken. Tischtennis-Manager Daniel Suchanek steckte einige ein – „als Anschauungsunterricht für andere Klubs“, wie man so etwas aufziehe. Selbst die frankophonen Saives schmökerten aufmerksam in der Festschrift. Vor allem die „Weltmeisterschaften“ an Fasnacht, bei denen Bücher, Badelatschen oder Bratpfannen als Schläger zweckentfremdet werden, amüsierten sie. Der TTC lud die beiden sofort ein, auf ihre alten Tage „noch Weltmeister zu werden…“

Grandioses Finale mit bewegendem Moment
Vor der Autogramm-Stunde, die die jungen Fans auch weidlich für gemeinsame Fotos nutzten, und dem Abschluss in der Pizzeria „Fabrizio“ ging der grandios Höhepunkt über die Bühne: Die Koryphäen spielten um die Platte und Schiedsrichter Rudi Kölmel herum, als seien die extrem angeschnittenen Bananenbälle die einfachste Sache der Welt. Der humorvolle Referee rutschte mit dem Zählgerät mit, weil die Protagonisten die Platte durch die Halle schoben und währenddessen munter das kleine Zelluloid zurückzirkelten. Ein bewegender Moment entstand im doppelten Sinne, als Jean-Michel Saive dem Unparteiischen den Schläger in die Hand drückte und mit dem einstigen TTC-Spitzenspieler loslegte – Kölmel war vor Jahren bei einer Senioren-Meisterschaft mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen und hatte seitdem die Platte gemieden…

Jean-Michel Saive & Rudi Kölmel
Bewegender Moment: Rudi Kölmel (rechts) greift gegen Jean-Michel Saive nach Jahren wieder zum Schläger!