„Das wäre eine super Schlagzeile für die lokale Presse: „TTC Muggensturm zu 50 Prozent schwerbehindert!“, ulkt Rainer Schmidt. Der Kabarettist ohne Arme zeigt mit seinem selbstironischen Programm „Däumchen drehen dem Publikum in der Alten Kelter auf, dass jeder Mensch Defizite hat und er nicht bedauert werden muss – bei der Jubiläumsveranstaltung des Tischtennisclubs am Freitagabend räumt beispielsweise rund die Hälfte des Publikums ein, keine Krawatte binden, geschweige denn einen Kopfstand ausführen zu können. „Wie viele schaffen das? Du Rundkopf da hinten kippst doch spätestens nach drei Sekunden um“, scherzt der 50-Jährige in Richtung desjenigen, der ohne Scheu etwas aufgezählt hatte, was Schmidt „wohl nicht kann“.

Der Höhepunkt des Abends: Gemäß dem Titel seines Programms, „Däumchen drehen“, lässt Rainer Schmidt eine Zuschauerin diesen „absoluten Höhepunkt für jede Frau“ erleben.

Schlagfertigkeit hat der evangelische Pastor jedenfalls in die Wiege gelegt bekommen. Bei der Auftaktveranstaltung des TTC Muggensturm zum 40-jährigen Bestehen reißt der Bonner die Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hin. Kein Wunder, befindet er: „In meinem Programm sind 97 Pointen eingebaut – Ihr habt 106 Mal gelacht. Super Quote! Ihr seid ein gutes Publikum.“ Apropos Wunder: Bei einer Theologie-Prüfung sollte ausgerechnet Schmidt etwas zum Thema „Wunderheilung durch Handauflegen“ machen. „Das ging nicht bei mir. So bekam ich eine neue Aufgabe: Dafür erhielt ich eine Zwei im Übers-Wasser-Laufen – glücklicherweise war gerade Winter!“

TTC-Urgestein Manfred Vogel fordert Rainer Schmidt heraus. „Ich hatte keine Netz- und Kantenbälle“, beklagt der für seine „Birdies“ gefürchtete Muggensturmer.

Der 15-fache Sieger bei Paralympics und Weltmeisterschaften im Tischtennis betont bei seinem heiteren wie nachdenklichen Programm zum Thema Behinderung: „Wir brauchen nicht wie Politiker 25 Jahre für Inklusion – das geht an einem Tag!“ Im Publikum streift danach jeder Beklemmungen ab und greift beherzt nach dem Armstumpf des Kabarettisten, als dieser ihn zur Begrüßung hinreckt. Oder er erzählt von dem Jungen, der vier Jahre lang nichts sagt, bis er plötzlich am Frühstückstisch monierte: „Das Salz fehlt!“ „Junge, Du kannst reden! Wieso hast Du bisher nie gesprochen?“, erkundigten sich laut Schmidt die Eltern. „Bisher war alles in Ordnung …“

Rainer Schmidt hält sich beim Duell an der Platte mit Martina Hess vornehm zurück – schließlich hat die TTC-Kassiererin noch nicht sein Honorar überwiesen!

Das gilt auch für „Däumchen drehen“. Selbst die Probleme das Abends werden noch gelöst, zumal der TTC Muggensturm mit Bedacht ein Buffet statt „Fingerfood“ während des Auftritts anbietet. „Das bekam ich bei dem Highlight meiner Karriere mal in Mainz serviert“, erinnert sich der Referent an seinen heiteren Alltag. „Die Begrüßung war dafür durch einen ehemaligen Minister besser als hier in Muggensturm! Ich wurde zum zigfachen Paralympics-Gold-Medaillen-Gewinner und zu Doktor Rainer Schmidt erhoben.“ Den Vergleich mit den Pfälzern lassen die Tischtennisspieler aber natürlich nicht auf sich sitzen. Zur zweiten Hälfte der zweieinhalbstündigen Vorstellung bittet der Moderator deshalb „Prof. Dr. Dr. Rainer Schmidt“ auf die Bühne …

Gerald Sänger begeistert sein Publikum zum Abschluss des Abends mit Gitarre und Gesang.	Schiedsrichter Rudi Kölmel trickst nicht nur bei der Auslosung des Aufschlags – nachher zählt er Rainer Schmidt auch noch einen Aufschlag ab, weil er „aus der Hand geschlagen hat …“

„Es lohnt immer ein zweiter Blick! Kein Mensch ist so, wie wir ihn uns am Anfang vorstellen“, gibt der Pastor zu bedenken und schiebt nach, „jetzt hätte ich beinahe Amen gesagt – aber dann wäre ja jetzt gleich Schluss.“ Der lässt auf sich warten: Nach den Ovationen des Publikums, das ein „Beruhigen Sie sich!“ und eine Zugabe des Kabarettisten herausfordert, muss der Paralympics-Sieger noch weit über eine Stunde gegen die Muggensturmer Tischtennisspieler an die Platte gehen.

Die TTC-Spieler lassen Rainer Schmidt nicht zur Ruhe kommen und gehen bis nach Mitternacht eifrig mit dem Paralympics-Sieger an die Platte. Dieser lässt sich auch geduldig mit allen ablichten.