„Däumchen drehen“ verspricht das Programm am Freitag, 22. Mai, ab 20 Uhr in der Alten Kelter. Rainer Schmidt droht dem Publikum damit aber „keine Langeweile“ an beim Auftakt des TTC Muggensturm zu seinen Feierlichkeiten. Der Tischtennisclub startet mit dem Kabarett in sein 40. Vereinsjahr. Am 31. Mai (19 Uhr) folgt die Tischtennis-Show mit den Gebrüdern Saive in der Wolf-Eberstein-Halle. Der ehemalige Weltranglistenerste Jean-Michel Saive zeigt dann mit seinem Bruder Philippe Saive, der ebenfalls belgischer Nationalspieler ist, wie spektakulär die schnellste Rückschlagsportart der Welt sein kann. Um 15 Uhr beginnt davor der Kinderspiel-Nachmittag in der Wolf-Eberstein-Halle.

Rainer Schmidt
Rainer Schmidt bekommt in seinem Kabarett-Programm die Balance so gut hin wie mit Ball und Schläger.

Mit dem Titel „Däumchen drehen“ hebt der evangelische Seelsorger Schmidt auf seine Behinderung ab. Vor 50 Jahren war der Tag seiner „Geburt ein Schock für meine Eltern: Ich kam ohne Unterarme und mit einem verkürzten Oberschenkel zur Welt“, wie es auf seiner Homepage und seinem Buch „Lieber Arm ab als arm dran – Grenzen haben, erfüllt leben“ heißt. Berührungsängste sind für ihn kein Tabu. Mit Witz und Verstand erzählt er aus seiner Kindheit, als sei sie gewesen wie jede andere – nur spaßiger! Kalauer wie der erste Satz seiner Oma, als sie Klein-Rainer zum ersten Mal sah („Also Handwerker wird der nicht!“), lässt der evangelische Seelsorger genauso vom Stapel wie tiefsinnige Weisheiten: „Das Wesentliche an der Behinderung ist der Umgang damit.“ Und den will der Theologe schlichtweg normalisieren.

Der schwarze Humor verrät: Schmidt ist kein Trauerkloß. Gewiss, auch ein Kabarettist kann nicht alles übertünchen. „Ich durchlebe ebenso persönliche Krisen, weil ich manche Sachen nicht machen kann oder im Privaten etwas schiefläuft“, gesteht der frühere Schildgener „Ortspfaffe“. Der „Umgang mit Leiden“ sei „manchmal schrecklich“ – doch er trotzt der Verzweiflung und versucht stets, das Beste daraus zu machen.

Rainer Schmidt
Der 15-fache Welt- und Europameister Rainer Schmidt krönte seine Karriere bei den Paralympics.

Deshalb entwickelte sich eine erstaunliche Sport-Karriere: Mit zwölf Jahren gab es im Urlaub 1977 im österreichischen Tamsweg keine sportliche Betätigung außer einer Tischtennisplatte. Alle spielten gerne – lediglich Rainer konnte den Schläger nicht halten und zählte fortan nur noch die Spiele seines Bruders und der anderen Kameraden. Ein weiterer Urlaubsgast, Herr Lutz, sah das und erkundigte sich, ob der Junge nicht mitspielen wolle. Als Rainer enttäuscht den Kopf schüttelte, grübelte Lutz und versprach, „sich etwas einfallen zu lassen“. Mit Schaumstoff und Schnüren band er den Schläger fest. „Der Schläger wackelte zwar ein wenig, aber nun kam ich viel besser an die Bälle und konnte richtig mitspielen“, freute sich der Zwölfjährige. Lutz tüftelte weiter und perfektionierte die Konstruktion. „Fortan war ich begeisterter Tischtennisspieler, auch wenn ich immer verlor.“
Das änderte sich indes mit den Jahren. Schmidt wurde zum Aushängeschild der Behindertensportler. Bei Welt- und Europameisterschaften gewann er 15 Titel, und bei sieben Paralympics-Teilnahmen heimste der Theologe fünf Medaillen ein.

 

„Ein Augenblick größten Glücks“

Einen Schauer über den Rücken jagt ihm heute noch die Erinnerung an 1992, als der damals 27-Jährige in Barcelona vor 12000 Zuschauern Gold eroberte: „Ein Augenblick größten Glücks“ nennt das der Sieger, der sich seit Peking 2008 nur noch hobbymäßig den Schläger an die Linke bindet. „Als Zwölfjähriger hätte ich nie geahnt, wie sehr Tischtennis mein Leben prägt“, blickt Schmidt dankbar zurück. Obwohl er kurze Armflügel hat – was eklatante Nachteile beim Aufschlag, beim Schwung und der Reichweite sowie mit der Balance mit sich bringt beim schnellsten Rückschlagsport der Welt -, spielt der Paralympics-Sieger stark genug, um zum Beispiel einen Stammplatz in der ersten Herren-Mannschaft des TTC zu bekommen!
Ein christlicher Verleger in Taiwan fand Schmidts Buch „Lieber Arm ab als arm dran“ so „dramatisch“, dass er es vor den Olympischen Spielen im tischtennisverrückten „Reich der Mitte“ auf Chinesisch verlegte. 2012 habe außerdem eine Japanerin aus seiner Region östlich von Köln „aus Jux und Dollerei“ das Werk in ihre Muttersprache übersetzt.

 

Im Dreiviertel-Takt mit Kati Witt

Rainer Schmidt
Wen lässt Rainer Schmidt am 22. Mai Däumchen in der Alten Kelter drehen?

In seinem „emotionalen“ Programm bleibe einem nicht nur das Lachen im Halse stecken: „Zwei Geschichten sind gar nicht lustig, dafür ist die dritte wieder mit Pointe“, verspricht Schmidt abwechslungsreiche Unterhaltung mit Tiefgang und Tränen – durch herzliches Lachen. Seine Geschichten sind zum Schreien komisch, manchmal auch anrührend traurig und immer wieder mal knisternd erotisch. „Wie dankbar war ich für meine kurzen Arme, als ich mit Katarina Witt tanzen durfte. Das war wirklich ein berührender Moment (vor allem vorne!)“, erinnert sich der Paralympics-Sieger mit einem Augenzwinkern an die traute Runde übers Parkett mit der hübschen ostdeutschen Eislauf-Ikone.
Zum Abschluss seiner Vorstellung zeigt der 50-Jährige wie bei Witt keine Berührungsängste und kürt den – ganz im Duktus eines Seelsorgers – „Auserwählten des Abends“. Dieser darf sein „Däumchen drehen“. Ein Pastor ist schließlich der Lüge abhold und hält, was er verspricht. Und steht in der Nähe der Bühne eine Tischtennisplatte, demonstriert der Paralympics-Sieger als kleine Zugabe dem Publikum dort sein Können. In der Alten Kelter ist er am 22. Mai der nächste Große des deutschen Tischtennissports, der in Muggensturm an die Platte geht. Schmidt wird dann womöglich scherzen: „Besser beim TTC an die Platte gehen, als platte Witze beim TTC-Jubiläum machen.“

Wenige Restkarten zu dem Kabarett gibt es bei Robert Rentzsch, Vogesenstr. 24, Muggensturm, Telefon: 07222/506955, E-Mail: robi.rentzsch@arcor.de.
Karten für die Saive-Show bieten neben Rentzsch auch die VR-Bank in Mittelbaden, der Edeka-Markt und die Ahorn-Apotheke an.