Uli Deisinger hatte spektakuläre Ideen. Sein Kunstwerk ist wohl das am höchsten gelegene auf der Erde – und der Gründer des Muggensturmer Vereins „Basis für Frieden“ hat ein weiteres in der Tiefsee schlummern. In den letzten Jahren hatte sich der Künstler vor allem der „Leichtigkeit“ verschrieben. „Leichtigkeit war ein großes Thema für ihn, erzählt seine Frau Eveline Seiler. Mit 53 Jahren starb er überraschend und hinterließ in Muggensturm, in seiner Familie und bei Freunden einen Schock.

Deisinger stammt zwar aus Besigheim, prägte aber im vergangenen Jahrzehnt seine neue Heimat, die er wegen der Liebe gefunden hat. Aus seinem Credo „Weltfrieden beginnt in jedem Einzelnen“ heraus entstand der Verein „Basis für Frieden“. Die Führung gab der Initiator zwar später ab. Verbunden blieb Deisinger seiner Idee jedoch weiterhin. Auch beim Tischtennisclub (TTC) Muggensturm war der Realschullehrer mehr als ein Jahrzehnt eine Stütze als Spitzenspieler in der ersten Mannschaft und langjähriger Kassierer. Zudem fungierte er für seinen TTC als Beisitzer in der Kindersportschule (KiSS). Seine Schüler begeisterte der Künstler im Werkunterricht immer wieder mit anspruchsvollen wie originellen Aufgaben. „Der Uli war die Schule“, hieß es nach seinem Tod im entsetzten Kollegium der Ettlinger Anne-Frank-Realschule.

Vernissage

Beim örtlichen Kreativ-Kreis zählte der einfallsreiche Deisinger genauso zu den größten Aktivposten. Mehrere Holzstelen verschönern Muggensturm. In der Region fand er genauso Liebhaber dafür, eine thront auf dem Fremersberg. Besonders beeindruckend sind seine geschaffenen „Kraftplätze“ und „Seelen“. Für Letztere befüllten die Besitzer diese mit Symbolen als Ausdruck ihrer persönlichen Zufriedenheit und ihrer Sehnsüchte. Das Kraftplatznetzwerk ist auf seiner Homepage www.ulideisinger.de ersichtlich. Während seiner Bühler Zeit begeisterte Deisinger 2012 auch die dort lebende Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner. Als die Österreicherin mit dem K2 auch den letzten der 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bezwang, war eine „Seele“ des Freundes Uli Deisinger dabei. Statt ihres geliebten Tagebuchs nahm Kaltenbrunner eine „kleine Buddha-Statue mit, die ich auf allen Achttausendern dabei hatte. Ich wusste damals sofort, dass sie in die Seele’ gehört“, berichtete die Rekordkletterin später bei einem Vortrag in Muggensturm, wie sie das 30 Gramm leichte Kupferkästchen Deisingers auf dem 8611 Meter hohen Gipfel ablegte.

In die andere Richtung ging es bei seinem Kunstprojekt dank der Taucher Martina Adam-Karle und Ralph Karle. Die beiden Muggensturmer versenkten 2013 in der Celebessee eine weitere „Seele“. Im Optimalfall sank sie bis zu 6220 Metern tief. So liegen zwischen den beiden Extremen des Kunstprojekts 14831 Meter! „Uli hat auf dem zweithöchsten Berg und an der tiefsten Stelle der Erde Spuren seiner Visionen hinterlassen“, sagt Eveline Seiler und ergänzt, „und in den Menschen an seiner Seite eine große Lücke.“

In den vergangenen drei Jahren kam Deisinger etwas ab von seinen „Kraftplätzen“ und „Botschaftern des Friedens“, obwohl ein Bewunderer auf Facebook kommentierte: „Deine Kunst braucht diese durchgeknallte Welt im Moment so sehr wie nie.“ Stattdessen gab Deisinger preis: „Leichtigkeit ist für mich ein Zustand, in dem ich mich zufrieden und wohlfühle.“ Entsprechend kreierte der Werklehrer zum Beispiel Objekte aus heimischem schönen Holz, die sich haptisch grandios anfühlten und leicht im Wind drehten. „Aufschwung“ oder „Leichtigkeit 2“ hießen Stücke seiner zwölften Ausstellung im November 2014. Obwohl der 53-Jährige als lebensfroh galt und nach außen scheinbar Leichtigkeit verkörperte, war sie für ihn „ein Gefühl, das mir zu wenig vorkommt. Ich strebe es daher an. Die Kunst hilft mir dabei“. Vor einigen Monaten löste er dann jedoch sein Atelier in einer Muggensturmer Werkhalle auf, um eine kreative Pause einzulegen. Ein Indiz für den Abschied von der eigenen „Leichtigkeit“?